Amine Haase
Es ist nämlich ein Irrtum,
dass die Toten irgendwie tot sind.
»Es ist nämlich ein Irrtum, dass die Toten irgendwie tot sind.« Der Satz aus Alexander Kluges Die Patriotin steht wie ein Leitmotiv über den Arbeiten von Markus Döhne. Auf die Arbeit, die im Oktober/November 1998 in Kölns artothek zu sehen war, trifft dieser affirmative und zugleich irritierende Satz so exakt zu, dass wir in jener Verwirrung den Raum Am Hof 50 verlassen, die unser Denken in Bewegung hält. [...]
Dadurch, dass nichts so ist, wie es zu sein scheint, schärft der in Köln lebende Künstler unseren Blick auf das, was uns als Wirklichkeit gezeigt wird – in den Dokumentationen all unserer Geschichtsbücher und Tageszeitungen. Das vervielfältigte Bild der Arbeit in der artothek ist erst nach langen Dechiffrierungs-Versuchen zu entziffern. Das Motiv ist eine weiße Nelke auf einem Grabstein. Die scheint sich wie eine Schneeflocke auf unser Gedächtnis zu legen.
Das kollektive Gedächtnis scheint zu versteinern unter der Beweislast der Dokumentations-Zeugnisse. Die Kunst kann uns vor Erstarrung bewahren. Markus Döhne gelingt es mit sanftem Druck, der nicht schwerer wiegt als gefrorene Tränen.
aus:
Katalog
artothek 98,
Köln 1999