Susanne Greinke
Green Screens, Refugee Series.

Markus Döhne sucht in Archiven, Büchern und Zeitschriften nach fotografischen Bilddokumenten, die zugleich Impuls und Thema seines Arbeitens sind. Manchmal vergilbt, abgenutzt, manchmal stechend scharf, zeigen diese Bilder lange zurückliegende Ereignisse oder dokumentieren aktuelles Zeitgeschehen. Als Ablichtungen schicksalhafter Momente sind sie entweder fester Bestandteil des kollektiven Bildgedächtnisses oder wurden bewusst getilgt und wegsortiert, bis Döhne sie wieder zugänglich macht.

Bevor die Fotografien in seinen Arbeiten wieder erscheinen, haben sie allerdings eine Metamorphose durchlaufen. Wie das fotografisch erzeugte Bild selbst, welches die auf ihm abgebildete Realität im Moment der Ablichtung verändern kann, hat sich Markus Döhne das Fotomaterial durch Umwandlung angeeignet. Er hat es aus seinem Funktionszusammenhang und seiner Materialität gelöst. Aus den Fotos werden Siebdrucke oder mit Fotoemulsion belichtete Siebe, die Vorstufen des eigentlichen Drucks. Zwar bleiben die Bildinformationen erhalten, doch die Bilder sind vergrößert und farblich verändert worden. Trotz zunehmender Unschärfe entsteht der Eindruck, als würde die eigentliche Bildinformation des Ausgangsmaterials durch die künstlerische Aneignung noch deutlicher hervor treten. Damit stellt er die Frage nach dem semantischen Potential von Bildern.

In der Werkgruppe der Green Screens, Refugee Series. verarbeitet Döhne neben historischen Fotos von Flüchtenden aus der Zeit des spanischen Bürgerkrieges moderne Infrarotaufnahmen illegaler Grenzgänger, aufgenommen von den Grenzüberwachungsorganen an der deutsch-tschechischen Grenze. Es gelingt ihm in den grüngelben Gazearbeiten, die Bedrohung illegal Flüchtender spürbar zu machen. Sie erfassen das gesamte Szenario von Flucht und Grenzüberschreitung im Augenblick eines Bildes. Wie die fotografischen Vorlagen für den Künstler selbst als Impuls dienen, avancieren sie beim Betrachten zu Auslösern für einen Denkprozess, für das Bewusstmachen und das Erinnern. Damit erschließt Döhne ein Thema, das angesichts der zeitgenössischen Migrationsströme kaum aktueller sein kann. Er erinnert an das Unterwegsseinmüssen, an die Verletzlichkeit dieser Reisenden, wenn sie aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen ihr Heim und ihre Kultur verlassen haben.

aus:
Katalog
Überall ist es besser,
wo wir nicht sind.
Dresden/Nürnberg 2008